Sommermärchen 2006 - 30 Künstler*innen spielen die Fußballspiele nach

Recht am eigenen Bild und unter CC-Lizenz: Uns macht keiner was vor!

Veröffentlichungsdatum

Vor 18 Jahren startete ein Kunstprojekt - zu einer Zeit, in der die Rechte an den Bildern der Fußball-WM 2006 ausschließlich bei wenigen Großkonzernen lagen. Damals war Bloggen eine der effizientesten Kommunikationsmethoden im Internet. Unsere Annahme war, dass viele Menschen einen Brief von Anwälten bekommen würden, wenn sie in ihrem Blog über das Spiel ihrer Lieblingsmannschaft mit Screenshots aus den Übertragungen berichten würden.

Diese Annahme, kombiniert mit unseren ersten Erfahrungen mit der noch recht neuen Lizenzierung nach Creative Commons, brachte 30 Menschen zusammen, um der FIFA und ihren Machenschaften den Stinkefinger zu zeigen. Es ist vielleicht erwähnenswert, dass nur wenige von uns wirklich fußballbegeistert waren.

Jeden Tag um 12:00 Uhr veröffentlichten wir die Spiele des Vortages - nachgespielt und unter einer freien Lizenz. Jedes Mittel war recht, um der eigenen Kreativität Raum zur Interpretation der Spiele zu geben.

Einzige Regeln: Es stand fest, wer gegen wen spielte, das Endergebnis war vorgegeben und die Veröffentlichung musste unter einer freien CC-Lizenz laufen.

Einladung zum Mitmachen

Es entstanden Videos nachgestellter Spielsituationen, Stop-Motion-Filme, skurrile Zusammenstellungen historischer Aufzeichnungen und Kurzfilme, die am ehesten als freie Assoziationen bezeichnet werden können.

Anfangs glaubten wir fest daran, alle Spiele nachzuspielen. Doch im Laufe der knapp 30 Tage holte uns die Realität ein - und am Ende der WM hatten wir etwa 70 % geschafft.

Social Media war gerade im Entstehen und Plattformen wie Facebook spielten in Deutschland noch keine große Rolle. Daher brauchten wir schnell eine eigene Website, die auf Community und Mehrsprachigkeit ausgelegt und einfach zu bedienen war. Hubert schlug Drupal vor. Damals noch in der Version 4.6, war die mehrsprachige Website an zwei Wochenenden fertiggebaut. Nun brauchten wir nur noch eine Hosting-Plattform für die Videos.

Etwa zur gleichen Zeit startete Sevenload, die deutsche Antwort auf YouTube, die nach Differenzierungsmerkmalen zum US-amerikanischen Platzhirsch suchte. Hubert stellte den Kontakt zu Ibo her, der Co-Founder der sevenload GmbH war, und schnell waren wir uns einig, ein neues Format zu starten: das sevenload Spezial, ein redaktionell begleiteter Kanal, auf dem nur die Inhalte von nachspielzeit.org erschienen und der prominent auf der Startseite präsentiert wurde. Nach dem Einstieg verschiedener Investoren wurde das Format in „Premium-TV-Inhalte“ umbenannt.

2014 wurde Sevenload eingestellt.

Was wir damals nicht bedacht hatten: Sevenload war der zentrale Speicher für alle unsere Videos, die wir von verschiedenen Akteur*innen zur Veröffentlichung bekommen hatten.

Jetzt, passend zur EM 2024, wollten wir unsere damaligen Werke erneut präsentieren und mussten auf längst verstaubten Festplatten, auf YouTube und in alten Bandlaufwerken nach unseren Videos suchen. Leider ist unser Mitstreiter Michael Trachenberge zwischenzeitlich verstorben, sodass wir keine vollständige Sammlung mehr herstellen konnten.

Immerhin haben wir - PeerTube sei dank - 37 Videos gefunden, die wir nun auf unserer eigenen Instanz öffentlich zur Verfügung stellen.

Es hat mich sehr gefreut, dass die taz für die EM 2024 ein ähnlich kreatives Format gefunden hat, um es mit den Leser*innen zu teilen.

Die taz-Kurzkritik – das ganze Spiel in nur drei Sätzen.

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